Motivation ist „machbar“
von Miriam Groß-Deforth
Dieser Text bietet Ihnen ein Modell an, mit dem Sie (noch) besser verstehen, wie Ihr Gehirn „Motivation“ erzeugt. Und wie Sie es dazu bringen können, dies häufiger und zuverlässiger für Sie zu veranlassen. Los geht’s:
Sie kennen das vermutlich alle. Da ist dieses wunderschöne Vorhaben, der elegante Plan, der beste Vorsatz und nach genau zwei Tagen Training im Fitness-Studio schien es bisweilen unüberbrückbare, innere Blockaden zu geben, das Training auch am dritten Tag wieder aufzunehmen.
Und wenn Sie zu den etwas wacheren Zeitgenossen zählen, haben Sie vermutlich auch mitbekommen, dass Ihrem Gehirn genau zu diesem Zeitpunkt auch hundert wichtige Gründe einfallen, warum es viel besser war, zuhause zu bleiben.
„Um diese Uhrzeit gibt’s eh keine Parkplätze. Das letzte Training ist ja erst drei Tage her – ein Körper will ja nicht gleich zu sehr belastet werden. Außerdem läuft heute Abend diese Dokumentation im Fernsehen, und die gibt’s morgen nicht mehr im Programm.“
Diese „Gründe“ sind natürlich Ausreden, sehr willkommene Ausreden.
Und jetzt kommt’s: Diese Ausreden rechtfertigen lediglich eine Entscheidung, die in unserem Gehirn schon lange vorher gefallen ist.
Manche Verkaufsexperten wissen, dass die menschliche Denke alle Entscheidung, egal ob kleine oder große, wichtige oder banale, über das sogenannte limbische System schleust. Wir treffen sie also rein emotional.
Erst nach der inneren Entscheidung (die viele Menschen gar nicht als solche wahrnehmen), setzt sich auch unser Frontalkortex in Gang und rechtfertigt in blühender Poesie unser Verhalten. Der Kauf des relativ teuren Kleides steht also lange vor dem Gespräch darüber mit der Verkäuferin in der Damenoberbekleidungsabteilung schon fest.
Wie genau arbeitet nun das Gehirn, um diese emotionale Entscheidung – zum Beispiel für die Fahrt ins Fitness-Studio zu treffen, oder auch gegen sie?
Unser neuronales System liebt „Bilder“. Um uns die Zukunft vorstellen zu können, dürfen wir uns also in unserem Kopf ein Bild von ihr machen. Bei einer geplanten, schönen Urlaubsreise fällt den meisten Menschen das sehr leicht. Sie sehen sich bereits unter Palmen liegen, mit einem leckeren Cocktail in der Hand und hören sogar im Geiste das Rauschen des Meeres. Natürlich wecken sie damit die Reiselust (das ist ein Gefühl) in sich, die Vorfreude (auch ein Gefühl) und vielleicht sogar schon die Anmutung von Erholung (na? genau, auch ein Gefühl). Dies ist der Moment, in dem das Gehirn „entscheidet“: Jetzt wird gebucht.
Manchmal dauert es dann noch einige Zeit, bis der Urlaubswillige wirklich seine Reise bucht und bezahlt – und die Vorkehrungen, das sogenannte „Priming“, sind bereits in seinem Gehirn verankert. Alles ist „auf grün“. Für Südfrankreich, die Balearen oder sogar die Karibik.
Während der Fahrt zum Reisebüro oder der Internetrecherche für den passenden Reiseanbieter geht’s dann los mit den „Rechtfertigungen:
„Haaach, wir waren lange nicht mehr weg. Viel zu lange. Was wird uns das gut tun – raus und in die Sonne. Frische, leckere Speisen und, Klaus, weißt Du was, Du kannst dann auch endlich den Tauchkurs machen, den Du schon so lange planst.“
Ähnlich wie bei diesem Beispiel geht unser Gehirn auch beim Thema Motivation vor. Um wirklich loszulegen, braucht es meistens zwei Dinge: Einen nicht so schönen IST Zustand, der dringend einer Veränderung bedarf, und eine tolle, begeisternde Idee von der ZUKUNFT.
Wenn Sie diesen Prozess für sich verstehen möchten, denken Sie gerne einfach an ein Vorhaben in der Vergangenheit, das Sie angefangen und wirklich erfolgreich zu Ende geführt haben.
Und dann vergleichen Sie den Prozess, den Sie erlebt haben, gerne mit den Vorgängen, die ich Ihnen in diesem Artikel schildere.
Der IST Zustand wäre im Falle des Fitness-Studios zumeist eine nicht ganz optimale Gewichtsverteilung am Körper, das Bemerken von Kurzatmigkeit beim Treppensteigen und eventuell sogar schon der Warnschuss eines Arztes. Er ist für eine ordentliche Portion Motivation nicht allzu gut oder sogar miserabel.
Um genau zu sein gibt es sogar recht viele Menschen, die lange in Schmerz- oder Unglückszuständen ausharren, bevor sie „reif für eine Veränderung“ sind. Das hat etwas mit der Veränderungsträgheit des Gehirnapparates zu tun – und mit der individuellen Fähigkeit zum Aushalten. Fest steht, dass fast alle Menschen ihren vergoldeten Popo nicht in Bewegung setzen, solange der IST Zustand nicht deutlichen Optimierungsbedarf zeigt.
Gehen wir also einmal davon aus, dass der IST Zustand auch so etwas sein kann wie ein nervender Job, eine unangenehme Gesundheitslage, eine anstrengende Beziehung oder ein in die Miesen gerutschtes Bankkonto.
Das Gute an all diesen lästigen Situationen ist: Nun ist der erste Schritt für einen gehörigen Motivationsschub getan.
Das Gehirn geht (solange Sie es nicht bewusst davon abhalten) den zweiten Schritt, wenn die „Schmerzen“ aus der jeweiligen IST Situation groß genug geworden sind. Bei manchen Menschen geht das recht schnell, bei anderen dauert das ein wenig länger.
Dann fängt es an, Impulse für eine bessere Zukunft zu funken. In schlaflosen Nächten, langen Gesprächen mit Freunden, manchmal auch eine unvermuteten Impuls, zum Beispiel eben ein Arztgespräch oder ein Buch, das uns „plötzlich ins Auge fällt“, kommt eine Idee für eine bessere Hoffnung: Wenn ich zweimal in der Woche Trainieren gehe, werde ich schön schlank aussehen und die Treppen hochhüpfen wie das berühmte, junge Reh.“
Diese Idee ist so verlockend und fühlt sich so gut an, weil das Gehirn, wie bei der geplanten Urlaubsreise, innere Bilder sendet. Sie stellen sich also vor, wie schön es wäre: Flinke, schlanke Körper, neue Kleidung, die in einer Größe kleiner perfekt sitzt und Hochsprinten von zwei Stockwerken in Rekordzeit. Herrlich!
Und genau jetzt passiert der Hormonausstoß, den wir „Motivationsschub“ nennen. Eine gehörige Portion Dopamin wird ins Blut geschoben und schon stehen Sie im nächsten Fitnessstudio auf der Matte und unterschreiben einen Achtjahresvertrag.
(Danach erst folgt die Rechtfertigung, die so viele Menschen mit der Entscheidung verwechseln.)
Doch schon nach dem ersten Muskelkater ist vom Dopamin nicht mehr viel übrig und unser Körper hat gelernt, dass Sport doch auch ein wenig anstrengend sein kann. Zumindest am Anfang.
Schnell möchte er nun in seine alten Muster zurückkehren.
Dies ist der Augenblick, in dem sehr erfolgreiche Menschen bewusst oder unbewusst eingreifen.
Um den nächsten Motivationsschub einzuleiten, denken sie nämlich jetzt absichtlich zuerst wieder an den maroden IST Zustand: Sie schauen sich im Spiegel an, sehen die noch vorhandenen Speckpölsterchen und erinnern sich an den letzten Treppengang.
Das dazu passende Gefühl entsteht – unser Gehirn kann gar nicht anders. Es erzeugt also wie auf Knopfdruck Ärger, Frust oder sogar Traurigkeit.
Bis hierhin machen die meisten Menschen da draußen auch alles genau so, wie soeben beschrieben.
Und dann versinken sie in ihrem schlechten Gefühl… das Popöchen bleibt auf dem Sofa. Dabei sind sie nur ganz knapp vor dem nächsten Motivationsschub:
Jene Menschen, die sich gut selbst motivieren, gehen nun im Unterschied dazu in ihrem Gehirn einen nächsten Schritt, mit dem sie dem natürlichen Muster des neurologischen Systems folgen:
Sie denken an das Endergebnis ihres Vorhabens. Sie baden geradezu in ihren Zielen. Sie sehen sich in schlank, in rank, in gesund, in fit und agil vor ihrem inneren Auge, hören, wie ihnen auf der Straße nachgepfiffen wird, weil sie so sexy aussehen und auch das Flirten wieder eine neue Bedeutung bekommt. Und sobald auch diese Gefühle im Körper angekommen sind, gibt’s den nächsten Dopamin-Ausstoß und sie fahren locker und lässig zum Training.
Wenn Sie nun, liebe Leser, an Ihre erfolgreichen, zu Ende gebrachten Vorhaben aus der Vergangenheit denken, dann werden Sie exakt dieses Muster wiederfinden.
Sie waren zu Beginn in einer ausbaufähigen IST-Situation, die sich nicht wirklich gut angefühlt hat. Und dann hatten Sie eine Idee (wie auch immer Sie darauf gekommen sind) und die fühlte sich zumindest besser, unter Umständen sogar viel großartiger an, als der bestehende Zustand.
Und dann haben Sie losgelegt. Und wenn es zwischendurch zu Schwierigkeiten, Herausforderungen oder sehr arbeitsreichen Zwischenschritten kam? Dann haben Sie sich vermutlich bewusst oder unbewusst an das Ziel erinnert, das Sie sich vorgenommen hatten. Das fertig gebaute Haus, die neue, bessere Arbeitsstelle, die abgeschlossene Ausbildung oder den Traumurlaub. Und dann hatten Sie plötzlich die Motivation, um weiter zu machen.
Einige von Ihnen könnten nun zurecht denken: Das liest sich ja recht einfach. So simpel kann es doch nicht sein.
Doch, unser Gehirn mag nämlich einfache Vorgänge.
Und tatsächlich würden Motivationsexperten Ihnen sogar empfehlen, Ihr gewünschtes Ergebnis, Ihr Ziel, Ihren Traum aufzuschreiben, aufzumalen oder ab zu fotografieren und es gut sichtbar in Kopie mehrfach in Ihrer Wohnung oder im Büro zu platzieren. Damit Ihr Gehirn sich für den nächsten Motivationsschub schnell und zwischendurch daran erinnert und Ihnen eine Runde Dopamin spendiert.
Dieser Artikel möchte Sie dazu einladen, das Experiment einfach einmal auszuprobieren. Zu verlieren haben Sie ja nichts. Denn so wie es derzeit IST, so bleibt es eben im Zweifel. Nur, wie schön wäre es, wenn Sie auch die Ziele erreichen würden, die Sie schon vor langer Zeit begraben hatten. Kosten wird dieser Vorgang ja auch nichts. Sie arbeiten ja ausschließlich mit sich selbst. Und den tollen Prozessen, die Ihr Körper und Ihr Gehirn fantastisch gut können.
Ich jedenfalls wünsche Ihnen egal ob mit oder ohne ein wenig Denksport gutes Gelingen und viel Freude beim Genießen Ihres Endergebnisses.
Miriam Groß-Deforth
Kommunikationstrainerin und TV-Moderatorin
www.kontext-denken.de