In diesen Wochen werden sich viele Rheumapatienten gefragt haben, welchen Einfluß hat die Pandemie auf meine Erkrankung und mich persönlich. Bin ich aufgrund der Erkrankung oder der Medikamente, die meine Krankheit in Schach halten, besonders gefährdet? Wenn man ehrlich, ist so kann man diese Frage nicht richtig beantworten. Ob eine COVID-19-Erkrankung bei Patienten mit einer entzündlich-rheumatischen Erkrankung schwerer verläuft als bei nicht rheumatisch erkrankten Personen ist ebenso wenig bekannt wie die Antwort auf die Frage, ob die medikamentöse Unterdrückung des Immunsystems ein zusätzliches Risiko für einen schweren Verlauf darstellt. Die Coronapandemie läuft viel zu kurz, um sichere Antworten auf diese Frage geben zu können. Trotzdem stehen diese Fragen im Raum und Antworten darauf zu finden, ist wichtig. Auch wenn die Antworten keinen Anspruch haben, durch wissenschaftlich fundierte Kenntnisse abgesichert zu sein, so sind es Expertenmeinungen. Bekanntlich können sich auch mal Experten irren. Aber ihre Meinungen sind mit großer Sachkenntnis hinterlegt und sollten in unsicheren Zeiten als Leitlinie dienen. Ein Expertenteam der Deutschen Gesellschaft für Rheumatologie hat Empfehlungen veröffentlicht. Diese sind die Grundlage für die Aussagen in diesem Artikel.
Halten Sie sich an das, was das Robert Koch-Institut empfiehlt. Die Regeln zur Kontaktvermeidung (Abstandsregeln / Nasen-Mund-Schutz) sollten von Patienten konsequent eingehalten werden. Jeder sollte seine Impfungen überprüfen und ggf. sich nachimpfen lassen. Dies gilt vor allem Impfungen gegen Lungenentzündung (Pneumokokken) und Grippe. Grippeimpfungen sind im späten Frühjahr und Sommer unüblich. Wer nicht ausreichend Grippe geimpft ist, sollte im nächsten Herbst die Impfungen durchführen lassen.
Ein generelles Pausieren der Rheumamedikamente oder eine Verringerung der Dosis werden nicht empfohlen, da die Pandemie voraussichtlich länger andauern wird, und nach Absetzen oder Dosisverringerung mit einem erhöhten Risiko von Rückfällen oder Schüben der Rheumaerkrankung gerechnet werden muß. Ein Schub einer entzündlichen Rheumaerkrankung erhöht das Risiko für einen Infekt. Deshalb sollten Schübe vermieden werden. Um einen Schub abzufangen, muß das Immunsystem dann wieder unterdrückt werden, und möglicherweise sind dann Dosen notwendig, die über den Dosen gelegen haben, die ursprünglich verwendet wurden.
Patienten, die keine Infektzeichen und keinen Kontakt mit coronavirusinfizerten Patienten hatten, sollt nicht aus Furcht vor einer Infektion mit Coronaviren die Therapie beenden oder die Dosis verringern. Allenfalls bei Kortisonpräparaten kann im Einzelfall eine Dosiserniedrigung bei anhaltend stabiler Einstellung erwogen werden. Patienten, die Kontakt zu einer Person mit Coronavirusinfekt hatten, aber selbst frei von Symptomen sind, sollten sich genauso verhalten.
Patienten, die Kontakt zu einer Person mit einem Coronavirusinfekt hatten, fieberfrei sind und nur leichte Symptome haben, sollte bei sich einen Abstrich auf Coronavirus durchführen lassen.
Patienten, die Kontakt zu einer Person mit Coronavirusinfekt hatten, und die deutliche Infektzeichen (insbesondere Fieber über 38 Grad) zeigen, setzen ihre Basistherapie ab und behalten die Dosis der Kortisonpräparate bei. Selbstverständlich sollte auch in diesem Fall ein Abstrich erfolgen.
Patienten, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden aber ohne Infektzeichen sind, sollten bei den modernen Basistherapien (Biologika, JAK-Kinasehemmer), falls möglich, eine Pause von 5-6 Tagen mit der Basistherapie machen. Methotrexat (MTX) sollte zunächst nicht abgesetzt werden. Auch die Dosis der Kortisonpräparate bleibt unverändert.
Patienten, die positiv auf das Coronavirus getestet wurden, mit Infektzeichen sollen alle Basistherapien pausieren. Die Dosis der Kortisonpräparate bleibt auch hier unverändert. Bei der Einnahme von Leflunomid ist das pausieren der Einnahme nicht ausreichend. Dieses Medikament muß zusätzlich ausgewaschen werden.
Eine Basistherapie mit Hydroxychloroquin sollte aber in keinem der oben genannten Fälle abgesetzt werden. Es sollte konsequent weiter eingenommen werden.
Wer Basismedikamente einnimmt muß regelmäßig zu Kontrolluntersuchungen zum Hausarzt oder Rheumatologen. Mancher wird sich fragen, ob die Arztbesuche nicht ein besonderes Risiko darstellen, sich zu infizieren und sollte man sie deshalb nicht besser vermeiden. Bei Patienten, die schon sehr lange auf diese Medikamente eingestellt sind, kann bei unauffälligem Verlauf eine Verlängerung des Kontrollintervalls überlegt werden. Patienten, die erst kürzlich mit einer neuen Basistherapie begonnen haben, sollten aber die vorgeschriebenen Kontrollintervalle strikt einhalten.
Ein weiteres Risiko stellt der Arbeitsplatz dar. Eine vorsorgliche Krankschreibung alleine wegen des Risikos einer möglichen Coronavirusinfektion ist nicht möglich. Um krankgeschrieben zu werden, muß man schon tatsächlich erkrankt sein. Allerdings besteht die Möglichkeit, sich ein Attest ausstellen zu lassen, damit man im Betrieb ggf. eine Umsetzung an einen weniger gefährdeten Arbeitsplatz erreichen kann.
Noch einige Worte zu anderen Medikamenten. Vor einiger Zeit kam die Nachricht, daß Medikamente wie Ibuprofen einen ungünstigen Einfluß haben könnten. Dies konnte nicht bestätigt werden. Ibuprofen und andere Schmerzmittel können weiterhin eingenommen werden. Auch wer unter hohem Blutdruck oder Herzschwäche leidet, sollte seine Blutdruck- bzw. Herzmedikamente unverändert weiter einnehmen.
Über die Möglichkeit, das Funktionstraining wieder aufzunehmen, wird der Landesverband Thüringen der Deutschen Rheuma-Liga zu gegebenem Zeitpunkt die Arbeitsgemeinschaften informieren. Bis dahin bleibt lediglich die Möglichkeit, auch zu Hause zu üben.
Herzliche Grüße und stabile Gesundheit
Ihr Dr. Lautenschläger